Salon Z: Banken- und Finanzplatz Europa quo vadis?

PANTARHEI
Salon Z April 2025 Speaker

Bei unserem ersten Salon Z dieses Jahr wurde schnell klar: Die Welt befindet sich in einem dramatischen Umbruch – politisch, wirtschaftlich, technologisch. Und mittendrin: Europa. Es stellt sich nicht nur die Frage nach dem „Wie weiter“, sondern auch nach dem „Wer wollen wir sein?“. Unter der Moderation von Gastgeber sowie PANTARHEI Gründer und CEO Markus Schindler diskutierten hochrangige Gäste darüber, wie der Banken- und Finanzplatz Europa mit diesen Herausforderungen umgehen kann – und muss. Gefolgt waren der Einladung in die Galerie Layr im Ersten Bezirk rund 200 Personen aus den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Medien und Politik.

Das hochkarätige Panel bestand aus:

  • Dr. Peter Bosek, Generaldirektor der Erste Group

  • Univ. Prof. Dr. Martin Kocher, Incoming Gouverneur der Österreichischen Nationalbank

  • Mag. Berthold Baurek-Karlic, Vorstandsvorsitzender der Venionaire Capital AG

Ära der Umwälzung

Die geopolitischen Veränderungen, befeuert durch technologische Disruption, verlangen eine Neuausrichtung. Das bisherige Wirtschaftsmodell steht auf dem Prüfstand – und mit ihm der gesamte europäische Bank- und Finanzplatz.

Martin Kocher ordnete die Lage ein:

„Wir befinden uns in einer Zeit, die wir rückblickend als tiefgreifend transformativ erkennen werden.“

Zwar sei es verführerisch, die Gegenwart stets als besonders turbulent zu empfinden – doch diesmal ist es anders. Nach einer Phase relativer Stabilität zwischen 2012 und 2020 sieht sich die Welt nun mit gleich mehreren Krisen konfrontiert: Pandemie, Krieg, Energiepreise, globale Wettbewerbsverschiebungen. Besonders betroffen: Europa – ein Kontinent, der stark auf offenen Handel und verlässliche Partnerschaften baut.

„Die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist gefährdet. Es braucht jetzt Maßnahmen, die uns widerstandsfähiger und schneller machen.“

„Wirtschaft folgt wieder der Politik“

Peter Bosek blickt aus Sicht des Bankensektors auf die aktuellen Veränderungen – und erkennt einen Paradigmenwechsel:

„Die Politik folgt nicht mehr der Wirtschaft – es ist umgekehrt. Wir leben wieder in einem Machtspiel.“

Internationale Regeln und Stabilität – jahrzehntelang Grundlage des globalen Wirtschaftssystems – weichen zunehmend machtpolitischem Denken. Länder wie die USA oder Russland setzen auf harte Interessenpolitik. China agiert strategisch. Europa hingegen hadert noch mit einer geeinten Antwort und hinkt hinten nach. Bosek fordert:

„Europa muss seine Stimme finden – und zwar geeint.“

Doch nicht nur auf globaler Ebene brauche es Bewegung. Auch national müsse man ins Tun kommen:

„Wir können nicht warten, bis eine neue Bundesregierung magisch die Wirtschaft ankurbelt. Die Frage ist, was wir alle tun können, um das wieder ins Positive zu lenken.“ 

Disruption als Chance

Während viele die Krisenlage als Bedrohung empfinden, sieht Berthold Baurek-Karlic darin vor allem eins: Potenzial.

„Ich frage mich oft: Sollen wir wegen Trump weinen – oder uns bedanken? Denn Veränderung bringt auch Chancen.“

Disruption sei das Kerngeschäft innovativer Investoren. Und tatsächlich: Themen wie digitale Souveränität, Defense-Tech oder Kapitalmarktzugang erhalten durch den geopolitischen Druck neue Relevanz. Baurek-Karlic fordert mehr Tempo, mehr Mut – und ein neues Selbstverständnis für Europa als Hightech-Standort:

„Österreich hat die meisten Spitzenköpfe der Welt pro Kopf – wir müssen das endlich nutzen.“

Doch damit das gelingt, braucht es nicht nur Visionen, sondern auch handfeste Rahmenbedingungen. Er mahnt:

„Um wieder Schlagkraft zu entwickeln, dürfen wir kein kommunistisches Sisi-Museum werden. Kunst ist schön und wichtig – aber wir können viel mehr und wir müssen das auch richtig hebeln und auf europäischer Ebene besser ausstrahlen.“ 

Raus aus der Komfortzone, rein in die Verantwortung

Peter Bosek bringt es auf den Punkt: Österreich ist wirtschaftlich gesehen in einer beachtlichen Ausgangslage. Die privaten Haushalte verfügen über ein Rekordvermögen von rund 870 Milliarden Euro, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Bildungslandschaft gut. Und dennoch – die Stimmung ist mies. Die Menschen sind verunsichert, zögerlich, skeptisch. Während in Osteuropa kräftig investiert wird, sparen die Österreicher fleißig. Diese Zurückhaltung ist symptomatisch für ein tiefer liegendes Problem: ein Mangel an Vertrauen, an Zuversicht, an Zukunftsglauben. Es fehlt – so Bosek – ein europäisches Selbstbewusstsein.

„Wir müssen wieder Lust haben, Dinge zu erschaffen. Leistung muss wieder positiv besetzt werden.“

Statt in einer Haltung des Wartens zu verharren, braucht es Eigeninitiative – von jedem Einzelnen, von Unternehmen, aber auch von der Politik. Vor allem: Der Staat muss aufhören, wirtschaftliche Impulse über Kurzzeitmaßnahmen zu setzen. Es braucht nachhaltige Rahmenbedingungen, die Innovation und Unternehmertum fördern.

Fazit: Die Zukunft ist offen – aber gestaltbar

Die spannende Diskussion hat eindrucksvoll gezeigt: Europa steht an einem Scheideweg. Die wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen sind real – doch sie können auch der Anstoß für dringend nötige Reformen sein.

Was es jetzt braucht:

  • Eine klare geopolitische Positionierung Europas

  • Investitionen in digitale und technologische Souveränität

  • Mut zur Veränderung und mehr Optimismus – auf nationaler und europäischer Ebene

  • Leistung wieder wertschätzen und Unternehmertum fördern

  • Abschaffung komplizierter Strukturen und Überregulierung

  • Einen neuen Umgang mit Krise und Disruption – nicht als Bedrohung, sondern als Chance

Die gute Nachricht: Europa hat alle Voraussetzungen, um aus den aktuellen geopolitischen und ökonomischen Verwerfungen gestärkt hervorzugehen. Wir haben die Talente, die Grundstrukturen und die Innovationskraft, um nicht nur zu bestehen, sondern wieder zu führen. Um die Chancen der Neuordnung der Weltwirtschaft zu nutzen brauche es aber einen anderen „sense of urgency“ und die Bereitschaft rasch und entschlossen zu deregulieren - nur so können Talente zurückgeholt und Investitionskapital mobilisiert werden. Vorhanden sei in Europa beides und in ausreichender Menge. Es ist Zeit, das zu beweisen. Oder wie Peter Bosek es auf den Punkt gebracht hat: „Vermögen kommt vom Arbeiten.“ Und das gilt nicht nur für Individuen – sondern für ganz Europa.

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