Wie werde ich kampagnenfähig? NGO-Fitness am Beispiel der Plattform Verpackung mit Zukunft
Wie können Unternehmen und Organisationen in einem zunehmend schnelllebigen, digitalen und polarisierenden Umfeld erfolgreich Interessen vertreten? Wie wird man ‚NGO-fit‘ und kann gegen neu gebildete Allianzen bestehen? Um die Deutungshoheit über eigene Anliegen wiederzuerlangen, braucht es in Zeiten fundamentaler gesellschaftspolitischer Transformation neue Formen der Public Affairs- und Kampagnenarbeit. Die Plattform Verpackung mit Zukunft ist ein Vorzeigeprojekt für das Gelingen offener und interaktiver Digital Public Affairs. Im Interview beschreibt Plattformkoordinatorin Sandra Pechac den Aufbau und die Funktionsweise der Plattform.
Was zeichnet die Plattform Verpackung mit Zukunft aus?
Sandra Pechac: Die Plattform Verpackung mit Zukunft ist ein Zusammenschluss von inzwischen über 20 Unternehmen entlang der Verpackungswertschöpfungskette. Unter den Mitgliedern sind Konsumgüterhersteller, Verpackungsspezialisten, Rohstoffverarbeiter sowie Recycling- und Entsorgungsunternehmen. Ihre Geschäftstätigkeiten sind divers. Doch sie vereint eine gemeinsame Grundhaltung und übergeordnete Ziele. In der Plattform bündeln die Unternehmen ihre Kräfte, um gemeinsam eine Richtung vorzugeben, den Austausch untereinander und mit der Öffentlichkeit zu fördern, und sich als Unternehmen, aber auch als Branche weiterzuentwickeln. Damit unterscheidet sich die Plattform Verpackung mit Zukunft maßgeblich von klassischen Verbänden.
Wie kam es zur Gründung der Plattform und welchen Zweck soll sie erfüllen?
Sandra Pechac: Vor allem Kunststoffverpackungen leiden an einem schlechten Ruf: Einseitige Berichterstattung und negative Bildsprache prägen schon seit längerem die öffentliche Wahrnehmung. Dabei sind die mit Verpackungen verbundenen Probleme nur ein Teil der Wahrheit. Klar ist: Jede überflüssige Verpackung ist zu vermeiden. Was auf den ersten Blick manchmal überflüssig erscheint, ist es in vielen Fällen aber nicht. Denn der Einsatz der richtigen Verpackung hat bei richtiger Entsorgung überwiegend positive Effekte auf die ökologische Bilanz eines Produktes. Das verzerrte Image und die fehlende Aufklärung waren ein Weckruf für die Branche, die öffentliche Kommunikation über Verpackungsthemen wieder aktiv selbst zu gestalten und in die Hand zu nehmen.
Die Greiner AG und die ALPLA Group sowie fünf weitere Unternehmen haben die Initiative ergriffen und 2019 mit Unterstützung von PANTARHEI ADVISORS die Plattform Verpackung mit Zukunft gegründet. Ziel war und ist es, Aufklärungsarbeit bei Stakeholdern zu leisten, den Wissensaustausch innerhalb der Plattform zu fördern, sich öffentlich zu klaren Grundsätzen zu bekennen und dabei stets transparent und offen für neue Anknüpfungspunkte zu bleiben.
Aufklärungsarbeit und öffentliche Positionierung erfordert zielgruppengerechte Kommunikation. Wie vermittelt die Plattform ihre Inhalte?
Sandra Pechac: Die Plattform nutzt zum einen verschiedene Onlinekanäle, die sich durch spezifische Channelstrategien auszeichnen und dadurch unterschiedliche Zielgruppen erreichen. Zu den Kommunikationsformaten zählen regelmäßige eigene Veröffentlichungen wie etwa Blog-Beiträge auf der Website, Social Media Postings sowie diverse Videoformate. Mit unseren Inhalten machen wir in erster Linie darauf aufmerksam, dass es notwendig ist, den Verpackungskreislauf zu schließen. So wollen wir Unternehmen, Akteure und Entscheidungsträger entlang der Wertschöpfungskette erreichen, sie über unsere Tätigkeiten informieren, in einen faktenbasierten Dialog treten und im Idealfall Kooperationen eingehen. Aber auch die Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher ist uns wichtig. Wir wollen unter anderem Bewusstsein für die Wichtigkeit von Verpackungen im Alltag schaffen und die Relevanz von Verpackungsabfällen als Rohstoff hervorheben. Die Menschen müssen dazu motiviert werden, Abfälle richtig getrennt zu entsorgen, damit der Kreislauf geschlossen werden kann. Hier setzen wir auf besonders nahbare und faktenorientierte Formate mit Wiedererkennungswert.
Neben unserer Onlinepräsenz setzt die Plattform zum anderen auf persönliche Kommunikation – bei Konferenzen, Stakeholderdialogen, Podiumsdiskussionen und direkten Aufklärungsveranstaltungen wie dem Plattform-eigenen „Pop-Up-Stand“. Mit diesem werden vor allem Konsumentinnen und Konsumenten über den richtigen Umgang mit Verpackungen sensibilisiert und Informationen in den verschiedenen Themenbereichen, wie etwa Lebensmittelverschwendung, PET-Recyclingkreislauf, innovatives Verpackungsdesign und Kreislaufwirtschaft zur Verfügung gestellt.
Unsere Kommunikation hat durch und durch Kampagnencharakter, was sich durch die wiederkehrenden Formate, die einheitliche Gestaltungsweise und die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen über längere Zeiträume zeigt. Durch die strategisch geplante Umsetzung der Kommunikationsmaßnahmen, konnten wir eine kontinuierliche Steigerung unserer Reichweite erzielen.
Das Ineinandergreifen von Organisationsstruktur, Mindset und Skills sind Schlüsselfaktoren für das Gelingen moderner Public Affairs Projekte. Welche Erfahrungen hat die Plattform Verpackung mit Zukunft damit gemacht?
Sandra Pechac: Nachdem die Anzahl der Mitglieder über die Jahre stetig gewachsen ist, wurde es notwendig, die Plattform zentral zu steuern. Das ist auch meine Hauptaufgabe. Bei mir laufen die organisatorischen Fäden zusammen und ich kümmere mich um die operative Umsetzung der Kommunikationsmaßnahmen. Das optimiert den kommunikativen Output bei geringem Mitteleinsatz und minimiert den Aufwand für die Unternehmen. So können sie ihr aktives Engagement in der Plattform verstärkt auf die Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedern und potenzielle neue Akteure richten.
Die Plattform lebt von der Dynamik und ist geprägt durch Interaktion nach innen und außen. Wir bringen die Mitgliedsunternehmen so oft wie möglich zusammen an einen Tisch und geben in unterschiedlichen Settings und Gremien die Möglichkeit zum Dialog und zur Zusammenarbeit. Dreimal im Jahr findet unsere Mitgliederversammlung statt, bei der Vertreterinnen und Vertreter aller Unternehmen zusammenkommen und sich austauschen können. Einmal im Jahr veranstalten wir den CEO-Summit der Plattform, bei dem die strategische Weiterentwicklung besprochen wird. Dort können auch politische Themen gut diskutiert werden. Beim CEO-Summit 2021 gab es zum Beispiel eine Keynote aus dem zuständigen Bundesministerium mit anschließender Diskussion zu aktuellen, politisch relevanten Themen und einem Ausblick, was in Zukunft wichtig sein wird. Das bietet Mehrwert für alle Seiten, denn mit der Plattform hat man die gesamte Wertschöpfungskette und damit Expertise gebündelt.
Was ist für die Zukunft der Plattform geplant? Wie wird sie sich weiterentwickeln?
Sandra Pechac: Die Plattform ist ständig in Veränderung und passt sich den Herausforderungen des politischen und kommunikativen Umfelds an. Ende letzten Jahres hat sich ein Kreis aus Mitgliedsunternehmen unter dem Dach der Plattform zusammengeschlossen, um gemeinsam an Leuchtturmprojekten zu arbeiten. Gemeinsam erkunden sie Wege und Kooperationsmöglichkeiten, um nachhaltige und zirkuläre Lösungen zu schaffen. Hierbei werden bestehende Anwendungen überdacht und auch neue Produkte entwickelt.
Zudem erweitern wir derzeit unsere Bandbreite an Mitgliedern. Mit der neuen Sonderkategorie für Start-ups suchen wir explizit nach disruptiven Ideen und Lösungsansätzen. Es soll ein Raum geschaffen werden, in dem Know-how und Ressourcen auf Innovationskraft und frisches Denken treffen können. Auch die verstärkte Kooperation mit dem Handel steht auf der Agenda. Die Plattform Verpackung mit Zukunft ist zusehends über die österreichischen Grenzen hinaus aktiv und sichtbar. Wir freuen uns jedenfalls auf die anstehenden Herausforderungen.