Die Mitgestaltung als Recht und Pflicht von „Corporate Citizens“

European/Digital Public Affairs
Wolkenkratzer von Unten nach oben Fotografiert

Public Affairs: Die Mitgestaltung als Recht und Pflicht von „Corporate Citizens“

Politik ist neben Porters „Five Forces“ die sechste Marktmacht. Denn nicht nur die eigene Innovation, der Mitbewerber oder der Käufer entscheiden, ob man am Markt bestehen kann. Die Politik – auf nationaler wie EU-Ebene – kann Märkte machen aber auch zerstören.

Unternehmen haben nicht nur das Recht, ihren politischen Rahmen aktiv mitzugestalten. Sie haben geradezu die Verantwortung als „corporate citizen“, unsere liberale und soziale Marktwirtschaft und eine starke Europäische Union im globalen Wettbewerb weiter zu entwickeln. Dafür braucht es einen Rechtsrahmen, der von allen mitgetragen: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Und im neuen Umfeld von Social Media und Meinungsbildung in Echtzeit, spielt Digital Public Affairs eine immer größere Rolle.

 

Politik als Taktgeber über Markt und Macht

The business of business is business, meinte Milton Friedman. Angesichts des zunehmenden Einflusses von Politik auf die Rahmenbedingungen für Unternehmen ist dies nur noch begrenzt gültig. Denn es sind oft politische und regulatorische Vorgaben, die entscheiden, ob ein Unternehmen für seine Produkte oder Dienstleistungen noch einen Markt hat oder eben nicht. Damit ist es auch das Recht für Unternehmen, diesen Rahmen mitzugestalten. Mehr noch, es ist deren Verantwortung, denn nur der Meinungsaustausch und das Berücksichtigen vielfältiger Interessen macht eine lebendige Demokratie aus. Den Reifegrad einer Demokratie kann man demnach auch darin messen, in welchem Ausmaß Individuen und Stakeholder wie Unternehmen sich an der politischen Willensbildung beteiligen können. Alles andere ist Diktatur.

Green Deal als europäisches Transformationsprojekt

Der Green Deal der Europäischen Union ist momentan das größte Transformationsprojekt in Sachen Wirtschaftspolitik seit der großen Ära der Deregulierung durch Ronald Reagan und Margret Thatcher. Dem Ziel, den Anstieg des Klimas in Europa bis 2050 auf unter 2 Grad zu senken, hat die Europäische Kommission 2019 die „Mutter aller Regulierungen“ präsentiert, den „Green Deal“. Dieser Green Deal wird bestimmen, wie Unternehmen und Industrie unter welchen Bedingungen in Europa noch ihre Güter produzieren oder verkaufen können – oder eben nicht.

Green Deal heißt auch ein Paradigmenwechsel: die Wettbewerbsfähigkeit weicht dem Klima-Fitness, nicht mehr das Wettbewerbsrecht wacht über Marktregeln in Europa, sondern der Klimaschutz. Dies löst natürlich die erhöhte Notwendigkeit aus, dass Unternehmen und Sektoren ihre Public Affairs Strategien auf diese neuen Gegebenheiten anpassen, um erfolgreich Lobbying durchführen zu können.  

 

EU Public Affairs – die Champions League der Lobbyismus

 

In Brüssel wird am großen Rad gedreht: Gesetze in Form von Richtlinien oder Verordnungen, die das Leben von mehr als 400 Millionen Europäer regeln – und natürlich den europäischen Binnenmarkt aller Unternehmen, die hier ansässig sind oder ihre Güter vertreiben wollen. Dementsprechend groß ist die Zahl von Lobbyisten und Interessensgruppen in Brüssel. Geschätzte 20.000 Personen sind im Auftrag corporate public affairs oder eben auch für Gewerkschaften und NGOs in Brüssel aktiv.

Wie funktioniert also erfolgreiches EU Public Affairs? Ein paar zentrale Spielregeln gilt es zu wissen und zu beherrschen:

  1. Alleine gehst du schnell, gemeinsam gehst du weit

Egal wie groß du als Unternehmen, NGO oder anderer Akteur bist: Alleine bist du auf verlorenem Posten. Nur eine breite Allianz von gleichgesinnten Interessen verspricht, dass die Politik dein Anliegen ernst nimmt und eine Lobbyingkampagne Früchte trägt.

  1. Public Affairs ist die richtige Taste zur rechten Zeit

Als Unternehmen hat man viele Kanäle und Plattformen zur Verfügung, um seine Anliegen in den Gesetzgebungsprozess einzubringen. Sei es über Branchenverbände, als einzelnes Unternehmen oder mit Unterstützung von professioneller Politikberatung und externen Lobbyisten: Die Kunst ist es, mit diesen einzelnen Tasten eine harmonische Melodie zu komponieren.

  1. Politische Kommunikation ist auch interkulturelle Kommunikation

Brüssel ist der Melting Pot Europas. Hier treffen politische Entscheidungsträger aus 27 Mitgliedstaaten zusammen. Die unterschiedlichen Kulturen, das vielfältige Verständnis von Kommunikation und Interaktion, macht es notwendig, sich in diesem multi-kulturellen Umfeld bewegen zu können und über Sprachgrenzen hinweg einen gemeinsamen Nenner zu finden.

 

Digital Public Affairs – die paradoxe Intervention

Die Corona-Pandemie war für viele Bereiche unseres Lebens und unseres Arbeitens ein Turbo in Sachen Digitalisierung. Dies gilt auch für die Public Affairs-Arbeit. Spätestens seit zwei Jahren ist es für Public Affairs-Professionals zentral, auf diese Fragen Antworten zu finden:

Wie will man gehört werden in einer Welt, die sich in ihren Kommunikationsmechanismen fundamental ändert? In der alte Rezepte nicht mehr ausreichen, sein Anliegen durchzubringen? In der gerade fünf Sekunden gegeben werden, um zu entscheiden, ob die Information relevant oder nicht ist?

Public Affairs muss grundlegend neu gedacht werden. Weg vom Hinterzimmer, hin zur digitalen Bühne. Weg von geschlossenen Netzwerken, hin zu fluiden Allianzen. Weg von Expertenmeinungen aus dem Elfenbeinturm, hin zu gemeinsam erarbeiteten Inhalten.

In der politischen Arena hat es immer schon geheißen: „Survival of the fittest”. Nur jene Akteure, die kampagnen-fit werden und wissen, wie in diesem neuen Umfeld wieder die Deutungshoheit zurückgewonnen werden kann, werden diesen Wettbewerb gewinnen.